SEO-Vertrag: Werkvertrag oder Dienstvertrag – Rechtsnatur eines Vertrages über Suchmaschinenoptimierung

Das LG Köln hat mit Beschluss vom 16.1.2014 (Az.: 19 U 149/13) entschieden, dass ein Vertrag über Suchmaschinenoptimierung als Dienstvertrag zu behandeln sein kann, auch wenn Ziel des Vertrages ist die Auffindbarkeit einer Internetseite zu verbessern und das Nutzerverhalten zu analysieren.

Für entscheidend hält es das LG Köln dabei, ob die SEO-Agentur die Erreichung einer konkreten Suchergebnisposition versprochen hatte, z.B. die Erreichung einer TOP10 Platzierung bei einem bestimmten Keyword.

(eigener Leitsatz nach Hinweisbeschluss des LG Köln, 16.1.2014 – Az.: 19 U 149/13)

Aus den Gründen I.

Die Berufung der Bekl. hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ ZPO § 522 Abs. ZPO § 522 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). […]

Das LG hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

1. Die Bekl. schuldet der Kl. das für den Monat April 2011 ausstehende Resthonorar i.H.v. € 806,13 aus § BGB § 611 Abs. BGB § 611 Absatz 1 BGB. Bei dem zwischen den Parteien begründeten Rechtsverhältnis handelt es sich um einen Dienstvertrag. In Folge dessen kann die Bekl. werkvertragliche Gewährleistungsrechte wegen einer angeblichen Schlechtleistung der Kl. nicht geltend machen.

a) In der Rspr. des BGH erfolgt die Zuordnung von EDV-Verträgen zu den Vertragstypen des BGB nach dem von den Parteien vereinbarten Vertragszweck, wie er in der vertraglichen Leistungsbeschreibung und dem hieran anknüpfenden Parteiwillen, insb. auch in der verobjektivierten Kundenerwartung, zum Ausdruck kommt, und rechtfertigt sich letztlich auch aus einem Vergleich mit Verträgen, die ähnliche Gegenstände betreffen (vgl. zu Internetsystemverträgen BGHZ 184, BGHZ Band 184 Seite 345 [= MMR 2010, MMR Jahr 2010 Seite 398] m.w.Nw.). Bei typengemischten Verträgen, die im Zusammenhang mit Leistungen im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung in der Regel vereinbart werden, sind für jede Leistung die Vorschriften des entsprechenden Vertragstyps des BGB heranzuziehen, es sei denn, die Eigenart des Vertrags verbietet eine solche Vorgehensweise; dann ist das Recht desjenigen Vertragstypus heranzuziehen, der den rechtlichen oder wirtschaftlichen Schwerpunkt des Vertrags bildet (vgl. dazu BGH NJW 1981, NJW Jahr 1981 Seite 341 f.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, Überbl. v. § 311 Rdnr. 24 ff.).

b) Auf der Grundlage dieser Kriterien unterfällt das Vertragsverhältnis der Parteien einheitlich dem Dienstvertragsrecht des BGB. Der Dienstvertrag ist ein gegenseitiger schuldrechtlicher Vertrag, in dem sich der eine Teil zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere zur Leistung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Der Dienstverpflichtete schuldet – anders als bei dem Werkvertrag – nicht die Herstellung und Verschaffung eines individuellen Werks, sondern allein die nicht erfolgsbezogene Leistung der versprochenen Dienste. Die Auslegung des Vertrags der Parteien mit Rücksicht auf den verfolgten Zweck und die Leistungsbeschreibung ergibt seine Einordnung als Dienstvertrag.

Bereits nach dessen Wortlaut hat sich die Kl. allein i.R.e. Dienstverhältnisses und nicht eines Werkvertrags verpflichten wollen. Anhaltspunkte dafür, dass die vertragliche Verbindung der Parteien gleichwohl – und sei es auch nur im Hinblick auf einzelne Teile der geschuldeten Leistungen – erfolgsbezogen und mithin als Werkvertrag einzuordnen wäre, liegen nicht vor. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien wandte sich die Bekl. mit dem Ziel an die Kl., den Umsatz über ihren Web-Shop zu steigern. Die Kl. betreibt eine Werbeagentur und verfügt daneben über das notwendige Fachwissen, um internetbasierte Verkaufsportale im Hinblick auf ihre Kompatibilität für die Algorithmen einschlägiger Suchmaschinen zu optimieren. Ausweislich des Leistungsumfangs beschränkten sich ihre vertraglichen Verpflichtungen aber nicht allein auf eine solche Optimierung des von der Bekl. betriebenen Web-Shops. Vielmehr haben die Parteien einen Marketing-Vertrag geschlossen, der daneben das Angebot der Bekl. über verschiedene Vertriebswege bewerben und vermarkten sollte. So beinhaltet der Leistungsbereich „Google-Adwords” eine internetbasierte Werbekampagne, bei der die Anzeigen der Bekl. lediglich bei der Eingabe vorher definierter Suchworte in das Eingabefenster der Suchmaschine … erscheinen und nach der die Vergütung bei entsprechendem „Klick” des Anwenders auf die Anzeige anfällt.

Auch die Leistungsinhalte Affiliate-Marketing und die Leistung der Bekl. bei den einschlägigen Preissuchmaschinen beschreiben vor allem in der Zusammenschau mit der Vereinbarung des monatlich zu entrichtenden Pauschalhonorars Marketingaktivitäten, bei denen nicht etwa der Entwurf einer Anzeige oder eines Vertragswerks mit dem Werbepartner als werkvertragliche Leistung im Vordergrund stehen, sondern die eine Dienstleistung zum Inhalt haben (zum Werbeagenturvertrag vgl. insoweit OLG Hamburg, U. v. 29.8.1996 – 3 U 121/95). Demgemäß werden auch Online-Marketingverträge von der Rspr. ohne weiteres dem Dienstvertragsrecht unterworfen (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 5.5.2011 – I-10 U 51/11 u.a.; LG Düsseldorf, U. v. 13. 6.2013 – 23 S 168/12; U. v. 6.10.2010 – 23 S 267/09 u.a.). Dass die Kl. daneben auf Abruf zu Leistungen im Bereich des Web-Controlling – mithin der Analyse des Nutzerverhaltens bei Besuchen des Web-Shops mit dem Ziel einer Verbesserung des Angebots – und der Suchmaschinenoptimierung verpflichtet war, führt nicht zu einer Einordnung als Werkvertrag.

Der Bekl. ist zwar insoweit zuzugeben, dass er im Hinblick auf die Optimierung der Webseite für Suchmaschinen werkvertragliche Elemente enthält, weil hier Programmierungsarbeiten anfallen. Indes geht die Bekl. fehl, wenn sie den Vertrag der Parteien deshalb insgesamt dem Werkvertragsrecht unterwerfen will. Denn die Suchmaschinenoptimierung bildete erkennbar nicht den Schwerpunkt des Vertrags, der vielmehr unter Vereinbarung eines differenzierten Leistungskatalogs insgesamt darauf ausgerichtet war, das Betriebsergebnis der Bekl. in Bezug auf den Web-Shop zu verbessern, wobei die Provisionspflicht der Bekl. bei Erreichung eines bestimmten Umsatzziels ebenfalls nicht so gedeutet werden kann, die Kl. habe dieses oder überhaupt ein anderes, besseres Umsatzziel als Erfolg ihrer Bemühungen geschuldet.

Hierfür fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Denn die Parteien haben die Vergütung der Kl. zunächst pauschal angesetzt; die Umsatzprovision kann vor diesem Hintergrund allenfalls als Bonus zu Gunsten der Kl. verstanden werden. Der Vertrag ist im Hinblick auf seine Eigenart als besonderer Marketing-Vertrag vielmehr einheitlich dem Dienstvertragsrecht zu unterstellen, da die Verpflichtung der Kl. zur Beratung und Umsetzung von Marketingmaßnahmen der Schwerpunkt des Vertrags ist. Demnach liegt der geschuldete Erfolg insb. nicht in einem verbesserten Ranking des Web-Shops bei Suchanfragen …, zumal die Kl. einen solchen Erfolg bei verständiger Würdigung und auch nach der objektivierten Kundenerwartung der Bekl. nicht hat versprechen können. Insoweit bleibt auch die Bekl. Vortrag dazu schuldig, welches Ranking … denn hätte erreicht werden sollen. c) Schließlich könnte die Bekl. deshalb selbst dann nicht erfolgreich Gewährleistungsrechte geltend machen, wenn die Leistungen der Kl. in Bezug auf die Suchmaschinenoptimierung dem Werkvertragsrecht unterstellt würden. Dass die Kl. im Hinblick hierauf Leistungen erbracht hat, etwa die Implementierung einer Sitemap, stellt die Bekl. letztlich nicht in Abrede. […]

Dass die Webseite der Bekl. grds. zur Suchmaschinenoptimierung ungeeignet gewesen sei, wie die Bekl. in der Berufungsinstanz behauptet, stellt die Kl. in Abrede. Umstände, die eine solche Bewertung der Bekl. stützen könnten, trägt die Bekl. nicht vor. d) Die Kl. hat die geschuldeten Dienste geleistet. Dass sie für die Bekl. gänzlich wertlos gewesen wären und die Bekl. dieserhalb dem Vergütungsanspruch der Kl. einen Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe entgegenhalten könnte, ist nicht ersichtlich. Insoweit nimmt der Senat auf die ausführlichen und überzeugenden Erwägungen des LG Bezug, denen er beitritt. Die Besucherzahlen des Web-Shops sind – wie auch der dort generierte Umsatz – gestiegen, wenn sie auch hinter den Erwartungen der Bekl. zurückblieben.

2. Aus diesem Grund hat die Berufung auch keinen Erfolg, soweit sie die Verurteilung der Kl. auf Rückzahlung der geleisteten Honorare begehrt. Die Bekl. kann einen solchen Anspruch schließlich nicht auf ein Aufklärungsverschulden der Kl. i.R.d. Dienstvertrags stützen. Wenn sie hierzu behauptet, der Web-Shop sei für eine Suchmaschinenoptimierung nicht geeignet gewesen, und die Kl. habe die Bekl. vor Durchführung des Vertrags oder jedenfalls innerhalb des ersten Monats hierauf hinweisen müssen, kann der Senat eine solche Pflichtverletzung der Kl. nicht feststellen. Die Kl. hat bestritten, dass der Web-Shop für eine Optimierung nicht geeignet sei.

Die Bekl. hat hierzu offenbar auch gar keine eigenen Erkenntnisse und wiederholt insoweit lediglich eine – ebenfalls bestrittene – angebliche diesbezügliche Äußerung der Kl. Umstände, die ihre Einschätzung untermauern könnten, trägt sie nicht vor. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Denn die Kl. hat ausweislich des unstreitigen Vortrags der Parteien eine Sitemap implementiert und daneben in ihrer Onsite-Analyse […] weitere Maßnahmen zur Optimierung vorgeschlagen, betreffend den Quellcode, die sog. Spaghetti-Markups usw.

Schließlich haben sich die Besucherzahlen tatsächlich verbessert, sodass auch hieraus nicht abgeleitet werden kann, die Maßnahmen seien sämtlich ohne Erfolg geblieben. Darüber hinaus bildete die Suchmaschinenoptimierung nur einen Teil der geschuldeten Leistungen, sodass ein Kündigungsrecht aus § BGB § 313 Abs. BGB § 313 Absatz 3 Satz 2 BGB nicht entstanden wäre. Dass der Bekl. ein weiteres Festhalten am Vertrag, ggf. dessen Anpassung unzumutbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.

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