Deutsche Vorratsdatenspeicherung ist rechtswidrig

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Die Vorratsdatenspeicherung, die in Deutschland momentan auf Eis gelegt wurde, ist nicht mit Unionsrecht vereinbar. Dies entschied nun der EuGH. Der EuGH- Ge­ne­ral­an­walt Ma­nu­el Cam­pos Sá­n­chez-Bor­do­na be­kräf­tig­te in sei­nem Schluss­an­trag zudem die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hofs, “nach der eine all­ge­mei­ne und un­ter­schieds­lo­se Vor­rats­da­ten­spei­che­rung nur bei einer erns­ten Be­dro­hung für die na­tio­na­le Si­cher­heit er­laubt ist” (EuGH Urt. v. 6.10.2020 – C-520/18, BeckRS 2020, 25511, beck-online).

Den Schlussantrag des Generalanwalts finden Sie hier: CURIA – Dokumente (europa.eu)

Hintergrund: SpaceNet und Telekom wehren sich gegen Datenspeicherpflicht

Der Hintergrund des EuGH-Beschlusses zur Vorratsdatenspeicherung und der Unvereinbarkeit mit EU-Recht basiert auf dem Rechtsstreit der Bundesnetzagentur mit dem Internetprovider SpaceNet und der Telekom. Dabei handelt es sich darum, dass sich die betroffenen Unternehmen gegen eine Vorschrift wehren, welche die Unternehmen dazu verpflichten, bestimmte Daten ihrer Kunden für den Zugriff der Behörden aufzubewahren. Die Vorratsdatenspeicherung wurde in Folge des Verfahrens ausgesetzt und mithin auf eine Entscheidung des EuGH gewartet. Die deutsche Regelung wurde bereits 2017 von der Bundesnetzagentur aufgrund einer Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Münster außer Kraft gesetzt. Entschieden wurde dabei, dass SpaceNet nicht zur Speicherung der Daten verpflichtet werden darf. 

Vorratsdatenspeicherung höchst umstritten – unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre?

Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist dabei hoch umstritten: Kernpunkt ist dabei, ob die Vorratsdatenspeicherung eine unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre darstellt. Die EU-Staaten hielten bei ihrem Gipfel im März zuletzt jedoch fest, dass Strafverfolgungs- und Justizbehörden zur Bekämpfung von schwerer Kriminalität die Vorratsdatenspeicherung bräuchten.

Verwunderung des Generalanwalts über Festhalten an der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland 

Beim Gerichtshof sind drei Vorabentscheidungsersuche im Sinne des Artikels 267 AEUV eingegangen. Nach Art. 267 AEUV entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf Vorlage oder Anrufung des Gerichts eines Mitgliedstaates im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie über die Gültigkeit und die Auslegung der Rechtsakte der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union. In dem vorliegenden Fall wurden zwei dieser Ersuche vom Bundesverwaltungsgericht vorgelegt, das über die Revision der Bundesnetzagentur gegen die oben erwähnten Urteile zu entscheiden hat.

Der EuGH hatte bereits 2020 in zwei Urteilen in ähnlichen Fällen gegen die Vorratsdatenspeicherung entschieden. Die Vorabentscheidungsersuche wurden nichtsdestotrotz  aufrecht erhalten. 


Anlassloses Datensammeln ist gefährlich und ein schwerer Grundrechtseingriff

Hinsichtlich des deutschen Gesetzes ist die allgemeine Speicherung der Daten mit einer schweren Gefahr verbunden, der „Zugang zu diesen Daten [stellt] einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Familien- und Privatleben sowie den Schutz personenbezogener Daten“ dar. 

Der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner sprach vom „finalen Sargnagel für die Vorratsdatenspeicherung“ in Deutschland. „Die anlasslose Massenspeicherung der Kommunikationsdaten wird nie mit dem Recht auf Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation vereinbar sein“, sagte Körner.

 

Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV)

Der DAV nahm bezüglich einer Wiederbelebung der Vorratsdatenspeicherung Stellung und warnte ausdrücklich davor. “Seit dem Tele2-Urteil von 2016 sollte klar sein: Die anlasslose und verdachtsunabhängige Speicherung von Daten auf Vorrat verstößt gegen die E-Privacy-Richtlinie und die EU-Grundrechtecharta. Es ist ein gutes Zeichen, dass der Generalanwalt dies heute erneut betont hat“, so Hauptgeschäftsführerin Sylvia Ruge. Der DAV lehnt eine Vorratsdatenspeicherung ab: Die Speicherung der Daten stelle einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte und in das anwaltliche Berufsgeheimnis dar. Die anlasslose Totalüberwachung unbescholtener Bürgerinnen und Bürger müsse verboten. bleiben. Mithin sei es nach Ruge nicht einmal bewiesen, inwiefern die Vorratsdatenspeicherung in Verbindung mit Gefahrenabwehr und Strafverfolgung wirksam ist. 

Quellen:
EuGH Urt. v. 6.10.2020 – C-520/18, BeckRS 2020, 25511, beck-online.
Petri, Die Vorratsdatenspeicherung, ZD 2021, 493.

Bildquelle: geralt auf pixabay

Tags :
Datenschutz, Urteile & Gesetze

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